Rufen Sie uns an: 0170 / 38 91 281
Wir beraten Sie gerne!

Newsletter Oktober 2012

►  Oktober Thema: Bilder – Sprache der Seele

Liebe Leserinnen und Leser,

Bilder – Sprache der Seele

Letztes Jahr wurde bei uns in der Markgrafenallee ein großes, altes Schulgebäude abgerissen. Das Haus hatte die Ausstrahlung des vorletzten Jahrhunderts – ein Zeuge versunkener Zeiten.

Heute steht ein Neubau an dieser Stelle – freundliche Farben, große Fenster, funktionale Ausstattung, wärmegedämmt. ‚Eigentlich ein schöner Ersatz‘, denken wir . . . Doch das Erstaunliche: Immer, wenn ich an die Straße denke und sie mir vorstelle, sehe ich mühelos das alte Schulhaus vor meinem inneren Auge. Es hat einen bleibenden Abdruck auf meinem Neo-Cortex hinterlassen. Es ist als Bild eingraviert.

Imagination – eine Fähigkeit der Seele

Immer, wenn wir etwas erleben, bleibt ein Bild des Erlebten in uns zurück.

Das Bild ist umso genauer, brillanter und lebendiger, je intensiver dieses Erlebte war. Schauspieler machen sich diese Fähigkeit des Bilder-Erzeugens zunutze: Es ist die Kunst der Imagination, sich Menschen, Situationen oder Gegenstände in allen Details vorstellen zu können.

Die Psychotherapie weiß: Imagination ist eine Fähigkeit der Seele. Sie fordert ihre Patienten auf, die Bilder in ihrer Innenwelt wach zu rufen und zum Leuchten zu bringen. Hieraus resultiert die Idee der Trauma Heilung: Menschen, die Schlimmes erlebt haben, müssen es schaffen, die verstörenden Bilder in ihrem Inneren zu überschreiben – neue, positive Eindrücke in die Hirnzentren einzuprägen. 

Innenwelt mit Tiefenwirkung

Wir meinen: Eine reiche, sonnige, farbenprächtige Bilderwelt ist nicht nur in der Kunst oder Therapie wichtig, sondern kann auch den sog. ‚grauen Alltag‘ farbiger und nuancenreicher gestalten. Sie kann dem Leben eine neue Dimension verleihen und eine Innenwelt mit Tiefenwirkung erschaffen.

Die Chinesen des Altertums waren wahre Profis in dieser Fähigkeit. Ihr Leben bestand aus Bildern.

Das zeigte sich bereits im traditionellen chinesischen Gesundheitssystem. Das uralte Schriftzeichen für „Qi Gong“ bringt nicht nur Bewegungsübung und Atem zum Ausdruck, sondern auch imaginierte Bilder als Ausdruck des Herzens. So geht es beim Üben um beides: Die exakte Ausführung der Bewegung kombiniert mit dem stimmigen inneren Bild.

Wir möchten Euch heute in ein Zeitfenster einladen, das Einblick in die reiche chinesische Bilderwelt gewährt. Zwar ist es nur ein kleiner Ausschnitt, doch macht er das bis heute gültige System der TCM anschaulich. Es ist ein philosophisches und medizinisches Heilsystem von großer holistischer Bedeutung. Es spricht – anders als die westliche Medizin – nicht nur die mechanischen Aspekte des Menschen an, sondern auch seine emotional-sozialen, geistigen und spirituellen Seiten.

 Königreich Körper

→ Der Körper wurde und wird bis heute als Modell eines Königreichs gesehen.

→ Dieses Reich ist autark.

→ Es ist von nichts und niemandem abhängig und nur sich selbst verantwortlich.

→ An erster Stelle steht – wie in jedem funktionierenden Reich – eine Regierung.

→ Ihr Oberhaupt, der König, hat seinen Sitz bezeichnenderweise im Herzen – nicht im Gehirn.

 

Das Herz regiert alle Organe und wird deshalb als ‚Wurzel des Lebens‘ angesehen. Es wird in den alten Texten als ‚Feuerprinz‘ bezeichnet. (Für mich, Ricarda, ist es natürlich eine Feuerprinzessin.)

  • Sie ist bestrebt, in ihrem Reich Frieden und Harmonie aufrechtzuerhalten.
  • Weiterhin ist das Herz verantwortlich für unsere Intelligenz, Weisheit und spirituelle Transformation.
  • Es inspiriert alle hoch entwickelten mentalen Funktionen, die unser Menschsein ausmachen:
  • Wie zum Beispiel unser Empfindungsvermögen und unsere Intuition.
  • Das Herz ist aber auch für die Aufrichtigkeit und Kraft unserer Sprache verantwortlich. (Auch hier im Westen gibt es das Sprichwort: „Er trägt sein Herz auf der Zunge.“)
    In diesem Sinne bestimmt es die Fähigkeit, unsere Gedanken, Gefühle und Emotionen achtsam und respektvoll zum Ausdruck zu bringen.

 

Der König oder die Feuerprinzessin haben weisende Funktion über alle anderen Organe. Das sind die sogenannten ‚Minister‘.

Hier ein Beispiel wie die Lunge, der Verteidigungsminister, das Herz unterstützt:

  • Die Lunge ist der Minister für Rhythmus und Ordnung.
  • Er bestimmt die Qualität unserer Interaktionen im Innen und im Außen.
  • Die Lunge weiß, dass sie atmend das Leben in sich aufnehmen und Altes, Verbrauchtes wieder abgeben muss.
  • Auf diese Weise erfüllt sie Körper, Geist und Seele mit Rhythmus und Ordnung – basierend auf dem Trost spendenden Grundgedanken, dass jedem Ende ein neuer Anfang folgt.
  • Auf der emotionalen und spirituellen Ebene bringt die Lunge das Geben mit dem Nehmen in Einklang und das Festhalten mit dem Loslassen.

Weiterhin ist das große Königreich Körper in mehrere Provinzen aufgeteilt

Sie entsprechen unseren Körperteilen. Die Tore zu diesen Provinzstädten sind unsere Gelenke. Sie müssen weich und durchlässig sein, um den reibungslosen Energiefluss sicher zu stellen.

Durch seine Beingelenke ist der Mensch äußerlich flexibel und hat die Fähigkeit, auf das zuzugehen, was ihn anzieht und sich von dem abzuwenden, was ihm nicht gut tut. Während er sich mit den Gelenken der Arme das nimmt, was er braucht und das abwehrt, was ihn schädigt.

Die Nervenbahnen repräsentieren die Straßen und Wege.
Sie sind Teil des großen logistischen Verwaltungsapparats – unseres Gehirns. Durch sie werden Botschaften zwischen Hauptstadt (Zentrum) und Provinzen (Peripherie) ausgetauscht. Sind diese Straßen und Wege frei und durchgängig ist der Mensch geistig rege, trifft Entscheidungen zum richtigen Zeitpunkt und ist voller Ideen, die er auch in die Tat umsetzt.

Die Flüsse wiederum stehen stellvertretend für die Blutbahnen.
Sie versorgen das komplexe und vielschichtige Königreich mit lebenswichtiger Nahrung und bringen frische Luft, den Sauerstoff, ins Land. Die Hormone wurden gesehen als Reisende mit verschlüsselten Botschaften. Sie sorgen für die Stimmung im Lande und schaffen das Milieu des Wohlbefindens oder des Missbehagens.

Und so geht es weiter in der Metaphorik der chinesischen Weisen. Und bis heute können wir alles gut nachvollziehen. Sicherlich gibt es das eine oder andere Bilderbuch für Kinder, das die Analogie von Körper und Königreich zum Thema hat. Dennoch haben die Chinesen eine Besonderheit zu bieten. Es ist eine Vorstellung, die wir heutigen westlichen Menschen nicht so ohne weiteres vor Augen haben. Sie gründet in der Frage, wer denn eigentlich das ganze Königreich am Leben erhält? Auf welche Weise kommen in diesem wunderbar konstruierten Modell „Königreich“ die Menschen, die Träger der Lebendigkeit, ins Spiel?

Qi – das lebensspendende Prinzip, das alles in Bewegung hält

Die alten Weisen haben sich einen kleinen Kunstgriff erlaubt, um in ihrem Modell die Menschen darzustellen. Sie erfanden das Qi. Wir übersetzen Qi heute sehr lapidar mit „Lebensenergie“. Im Grunde ist Qi das wirkende Prinzip in unserem Makrokosmos und Mikrokosmos, durch das alles in Bewegung bleibt:

● einerseits geduldig und gewissenhaft
● andererseits emotional und flüchtig

 Qi ist ein Geheimnis

Über dieses Geheimnis kann man sehr lange nachdenken. Irgendwie ist es der Klebstoff zwischen Geistigem und Stofflichem, das, was durch seine Veränderungsbereitschaft Bestand hat.

In unserem Gedankenexperiment wird sofort klar, dass es dem Königreich nur gut gehen kann, wenn es den Menschen, die gleichbedeutend stehen für die Lebensenergie, gut geht. Heute würden wir sagen: Ein Staat darf seine Bürger nicht zu sehr belasten. Sie brauchen einen ausgeglichenen Wechsel zwischen Arbeit und Freizeit. Vor allem dürfen sie nicht überreguliert werden, denn sie besitzen ihre eigene Weisheit, die ihnen gestattet, Probleme selbst zu lösen.

Viele chinesische Herrscher haben es auch tatsächlich so gehandhabt. Sie haben ihr Volk geliebt. Sie wussten, dass sie auf die Menschen angewiesen waren. Ebenso wie wir auf unser Qi angewiesen sind, um ein gutes Leben führen zu können. Die Heilkundigen wussten darum, wie sie das Qi wieder in’s Fließen bringen konnten, wenn sich ein Stau gebildet hatte. Sie kannten die geeigneten Mittel, um Ungleichgewichte zu erkennen und auszugleichen. Denn eines war immer klar: Nur das ungehinderte Fließen des Qi bringt Wohlbefinden, Gesundheit und Leichtigkeit mit sich. Es zeigt sich in Mühelosigkeit, guten Beziehungen, hellen Gedanken und kraftvollen Bildern.

Wir sehen: Auch hier entsteht wieder ein komplexes, vielschichtiges Bild von uns selbst: Wir sehen uns selbst, eingebettet in unser soziales Umfeld. Dieses Bild können wir dadurch beeinflussen, dass wir es richtig bunt und leuchtend ausmalen. In diesem Sinne, ist es wichtig, welche Bilder wir auf unserem inneren Bildschirm erscheinen lassen. Prüfen wir, ob sie uns nähren oder schaden! Schließlich ist es nicht egal, ob sich unser Innenleben wie eine duftende, summende Blumenwiese oder wie ein zubetonierter Parkplatz vor uns ausbreitet.

In diesem Sinne wünschen wir Euch einen bunten und majestätischen Herbst!
Wolfram & Ricarda Geiszler