TAO Touch Newsletter Juli 2012

Jetzt bei der EM hat man es wieder gesehen! Es gibt zwei grundverschiedene Arten, ein Spiel zu betrachten: Zum einen geht es um das Ergebnis: Egal wie, Hauptsache gewinnen! Zum anderen geht es um die Ästhetik: Man erfreut sich an einem schönen Spiel, genießt geschickt herausgespielte Torchancen, und das Ergebnis ist zweitrangig.

In der Pädagogik spricht man in diesem Zusammenhang von Produkt – bzw. Prozessorientierung. Wir alle kennen das aus der Schule: So manches Mal lernten wir eben nicht fürs Leben (Prozess), sondern für die Note (Produkt), um nach der entscheidenden Arbeit den Stoff möglichst schnell wieder zu vergessen. Ja! Den Pragmatismus brauchen wir, um durchzukommen. Aber ein ausschließlich pragmatisches Leben ist eben auch flach. Wir brauchen die Tiefe eines Prozesses, um Sinn zu erleben.

Nehmen wir ein weiteres Beispiel: Die Gesundheit.
Werden wir krank, fordern wir von der Medizin ein möglichst schnelles Ergebnis. Wir wollen die Symptome wieder los haben, um uns leistungsstark und vital zu fühlen. Dazu kommt, dass Schwäche nicht gerade hoch angesehen ist. Schwäche ist etwas, das wir anderen nicht gerne zeigen möchten. Und deshalb verlangen wir nach Lösungen, Rezepten, der Pille für alles und das Elixier der Unsterblichkeit.

Ganz anders ist es bei prozessorientiertem Vorgehen in der Gesundheit: Hier geht es um das Eintauchen in die Symptomatik und um das Verstehen, was dahinter steht. Es geht um die Entschlüsselung der Krankheit. Was will sie mir sagen? Welche Information ist da für mich drin?

Peter Peterson spricht in seinem Buch ‚Der Therapeut als Künstler‘(Jungfermann 1987) davon, dass „(…) dieses zwanghafte ‚Erfolge-haben-Wollen‘ keinen Blick für den therapeutischen Prozess und letztlich auch nicht für die Gesundheit hat. Denn Gesundheit als Ausdruck des Prozesses ist viel mehr und anderes zugleich als Erfolg: Gesundheit ist das Vermögen, auch Krankheiten und Gebrechen (…) würdig und fruchtbringend zu ertragen.“

Greifen wir ein weiteres Beispiel auf, in dem es um das Dilemma zwischen Produkt und Prozess geht: Das Selbständig-Werden im Gesundheitsbereich. Menschen haben erfolgreich eine Ausbildung zum Gesundheitspraktiker absolviert, brechen auf mit einem vollen Rucksack an Methoden, Begeisterung und Enthusiasmus, sind ausgestattet mit Kompetenz und Einfühlungsvermögen. Sie haben Räume gemietet, eingerichtet und Flyer verteilt. Nun warten sie auf ihre Klienten. Doch das Ergebnis lässt auf sich warten. Die Kunden bleiben aus und ein Gefühl von Frustration zieht ein. Es tauchen Fragen auf wie: Was kann ich denn noch tun? Habe ich habe alles richtig gemacht? Es ging doch alles nach Plan, warum stellt sich das gewünschte Ergebnis nicht ein?

Aber das Leben ist eben nicht planbar – ebenso wenig wie Fußball planbar ist! Wäre es nicht furchtbar langweilig, wenn man das Ergebnis der Europameisterschaft im Voraus „berechnen“ könnte? Oder wäre es dann einfacher, die Qualität des Spiels zu genießen, weil man sich um das Ergebnis keine Gedanken mehr zu machen bräuchte?

Na ja, das jedenfalls ist der erste Rat, den wir den Fragenden geben: Löse deinen Blick auf das Ergebnis! Mach dir klar, dass es kein Erfolgsrezept gibt! Der Erfolg deiner Praxis hat allein mit dir zu tun, mit deiner Person, mit deiner Lebens-Geschichte!

Und dann stellen wir Fragen: ● Was hast du für Netzwerke? ● Wie baust du Beziehungen auf? ● Wie gehst du in Kontakt mit anderen Menschen? ● Was sind deine ganz persönlichen Erfahrungen, deine einzigartigen Kompetenzen, die du dir in den letzten 20 Jahren angeeignet hast? ● Wie kannst du den Erfolg nutzen, der dich bis hierher gebracht hat, an diesen Punkt deines Lebens?
Und mit einem Mal passiert etwas Schönes: Die Ratsuchenden werden sich darüber gewahr, dass sie nicht auswechselbar sind, dass der Erfolg von ihnen selbst abhängt. Und sie spüren, dass sie scheitern dürfen – so wie einjährige Kinder immer wieder hinfallen, bevor sie endlich stehen und laufen können. So ist das nun mal im Leben: Erfolg ist das Resultat von Prozessen, die zu Produkten führen und dann wieder neue Prozesse hervorrufen. Und das geht immer so weiter, ein ganzes Leben lang. Oder wie Sepp Herberger schon sagte: „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel!“
Wir wünschen einen herrlichen Sommer mit der überbordenden Energie des Feuers!

Feiert Euch und das Leben!

Eure TAO Touchler
Wolfram & Ricarda