TAO Touch Newsletter Mai 2013

pfingstroseLiebe Leserinnen und Leser,
► Mai Thema: ● Glück und Unglück – zwei Seiten einer Medaille

Dass es gut war wie es war, das weiß man hinterher . . .

. . . . sang Hildegard Knef 1974 in ihrem Erfolgsschlager: „17 Millimeter fehlten mir zum Glück.“

Und sie hat recht: Um sich glücklich fühlen zu können, muss man wissen, was Unglück ist. Das ist eine Binsenwahrheit, denn (fast) jeder weiß: Wir Menschen lernen und erkennen doch immer nur aus dem Erleben von Unterschieden.

Schauen wir uns doch einmal um: Nach diesem langen und grauen Winter erleben wir das Aufblühen des Flieders wie ein Wunder des Glücks. Die Hormone schießen vor Erregung über und wir sagen: Mensch, ist das schön!

Vielleicht ist so zu erklären, warum auf der Liste der glücklichsten Länder der Erde die Skandinavier die ersten Plätze belegen. Na klar, es hat mit dem Wetter zu tun, schließen wir. Wer so eine lange Zeit der Dunkelheit und Kälte überstanden hat, wie unsere nördlichen Nachbarn, weiß, was Glück ist. Und sicher würde der Glücksindex der Deutschen, der ja bekanntlich nicht so strahlend da steht, nach dem Winter 2012/2013 auch um einige Punkte angestiegen sein.

Das Glücksbarometer

Jaja, wir wissen, dass es auch noch andere Faktoren gibt, die das Glücksbarometer beeinflussen! Zum Beispiel das Geld. Hier ist es interessant, denn sowohl zu viel als auch zu wenig Geld wird das Glück in aller Regel trüben. Das Mittelmaß ist hier der goldene Kompromiss. Aber auch das wissen wir immer erst sehr viel später.

Mit uns Menschen ist es schon seltsam: Wir wünschen uns etwas, von dem wir sagen: „Wenn ich das besitze, bin ich glücklich.“ Kaum haben wir es, steigt ein neuer Wunsch aus den Tiefen unserer Seele auf. Haben wir z. B. ein Dach über dem Kopf, genügend zu essen und einen Partner, der oder die uns liebt, schielen wir schon auf die nächste Stufe und wollen ein ganz bestimmtes Dach mit einem ganz besonderen Haus darunter, wünschen uns noch mehr Essen und denken, dass ein anderer Partner der noch bessere Glücksbringer wäre. So geht es immer weiter: Wir wollen zu einer ganz bestimmten Gruppe oder Gesellschaftsform dazu gehören. Wir tragen Kleidung von Hugo Boss oder teure Schweizer Uhren und tummeln uns auf Golfplätzen, obwohl uns das Spiel mit dem kleinen Ball nicht besonders viel Spaß macht.

Doch das alles ist gut so, denn es hat einen tieferen Sinn

Wir werden nämlich mit der Zeit immer unglücklicher. Und dieses Unglück schärft wiederum unsere Wahrnehmung für Glück. In diesem Zusammenhang möchten wir Euch auf den britischen Forschungs-Psychologe Kevin Dutton aufmerksam machen.

Er beschreibt folgendes Experiment: An der Kasse eines kleinen Schreibwarengeschäfts in Sydney wurde gut sichtbar allerlei Schnickschnack platziert, wie z.B. Spielzeugsoldaten, Plastiktiere, Spielzeugautos. Wenn die Kunden kamen, testete man ihr Gedächtnis, indem sie gebeten wurden, so viele Gegenstände wie möglich aufzuzählen. Aber die Sache hatte noch einen Dreh: Wenn das Wetter schlecht war, lief Verdis Requiem im Hintergrund. Wenn das Wetter schön war, wurden die Kunden mit den Klängen von Gilbert und Sullivan beschallt, einer fröhlichen Musik. Das Ergebnis war eindeutig: Kunden, die bei trübem Wetter und trauriger Musikbegleitung eingekauft hatten, konnten sich an fast 4 x so viele Gegenstände erinnern wie Menschen die bei schönem Wetter und lustiger Musik geshopt hatten. Dutton schloss daraus, dass melancholische Anflüge durchaus einen
ernstzunehmenden Vorteil haben: Wir werden aufmerksamer und nachdenklicher.

Erinnert uns das nicht an unsere anfängliche Hypothese, warum Skandinavier glücklicher sind? Sie haben einfach mehr Zeit über das Glück nachzudenken. Ja, und dann erkennen sie es schneller, wenn es endlich einmal vorbeischaut.

Zum Glück haben wir Abraham Maslow. Er hat uns sein Modell der Bedürfnispyramide hinterlassen. Maslow war einer von den humanistischen Psychologen des 20. Jahrhunderts. Er ging davon aus, dass in jedem Menschen das Streben nach Glück, Lebendigkeit und Selbsterkenntnis verschüttet liegt. Er – der Mensch – müsse es nur ausgraben.

Und das tut er vor allem dann, wenn die Grundbedürfnisse nach Nahrung, Kleidung, Schutz und Sexualität befriedigt sind. Wenn er sich zugehörig fühlt, sich nicht mehr profilieren will und er keine Statussymbole und Doktortitel mehr benötigt. Dann nämlich kann er zur Spitze der Pyramide aufsteigen. Und dort oben geht es um das Thema Selbstverwirklichung.

Hier an der Spitze waltet das Bewusstsein. Hier ist der Mensch in der Lage, sein Handeln zu reflektieren, zu überdenken und neu auszurichten. Und das verlangt – wer hätte es gedacht – Aufmerksamkeit. Und zwar für erst einmal für sich selbst. Eine Fähigkeit, die wir – nach Dutton – eher in melancholischen bis hin zu depressiven Phasen unseres Lebens erlernen.

Vielleicht ist es dann irgendwann so: Dieser Mensch weiß, dass er glücklich ist, weil er weiß, dass alles, auch sein Leiden, zum Glück dazu gehört – das man ja bekanntlich sowieso nicht festhalten kann. Dieser Mensch könnte sich dafür entscheiden, ein glückliches Leben zu führen, unabhängig von den Umständen. Für ihn gäbe es keine Tragik mehr, die ihn erst hinterher erkennen lässt, was er einst hatte. Er wäre frei, weil er alles, was ihm widerfährt, als Geschenk des Lebens annehmen kann.

In diesem Sinne wünschen wir Euch von Herzen eine glückliche Zeit.
Wolfram & Ricarda

P.S. Wer mehr von Kevin Dutton wissen möchte, kann sich sein neuestes Buch mit dem vielsagenden Titel: „Psychopathen – was man von Heiligen, Anwälten und Serienmördern lernen kann“ zulegen. Es ist erschienen im dtv-Verlag.